Die Geschwindigkeitsmessung durch Nachfahren ist auch zur Nachzeit grundsätzlich zulässig. Es sind aber zusätzliche Feststellungen über die Beleuchtungsverhältnisse und etwa vorhandene Bezugspunkte nötig, weil die Einhaltung eines gleichbleibenden Abstandes nachts besonders schwer zu kontrollieren ist.
Wer meint, Richter kennen sich aus dem „ff“ mit dieser Form der Geschwindigkeitsmessung aus, irrt. Zu schnell ist der Richter geneigt, den Betroffenen zu verurteilen, ohne nach allen Regeln der Kunst den Sachverhalt zu ermitteln.
Verkehrsanwälte, die hier die Schwachstellen der gerichtlichen Arbeit erkennen, können beim Mandanten punkten und ihm Punkte in Flensburg ersparen.
Schon in der Hauptverhandlung sollte der Verteidiger dem Messbeamten auf den Zahn fühlen, was erfahrungsgemäß dem Polizeibeamten Schweißperlen auf die Stirn treibt. Bedenken Sie: Die Hauptverhandlung findet oft Monate nach der „Tat“ statt. Wer kann sich da an die konkreten Umstände erinnern.
Für mich sind regelmäßig folgende Fragen von Interesse:
• Ist nachts bei den regelmäßig schlechteren Sichtverhältnissen der Abstand zum vorausfahrenden Pkw durch Scheinwerfer des nachfahrenden Pkw oder durch andere Lichtquellen aufgehellt worden und konnte der Abstand so ausreichend erfasst und geschätzt werden?
• Waren für die Schätzung eines gleichbleibenden Abstandes zum vorausfahrenden Fahrzeug ausreichende und trotz der Dunkelheit zu erkennende Orientierungspunkte vorhanden?
• Waren die Umrisse des vorausfahrenden Fahrzeugs und nicht nur dessen Rücklichter erkennbar?
Ein kompetenter Verkehrsanwalt sollte in diesem Zusammenhang folgende Grundsätze kennen:
• Bei 90 m Abstand ermöglicht (allein) das Aufleuchten der Rücklichter noch keine Entfernungsschätzung.
• Es reicht nicht aus, wenn der Tatrichter bei einem Abstand von 100 m ohne Angaben zu besonderen Lichtquellen lediglich mitteilt, dass der die Messung durchführende Polizeibeamte bekundet habe, dass „das vor ihm fahrende Fahrzeug des Betroffenen – trotz der späten Uhrzeit – den Konturen nach problemlos erkennbar gewesen“ sei.
• Ausreichend kann es sein, wenn der Tatrichter mitteilt, dass der gleichbleibende Abstand zum vorausfahrenden Fahrzeug anhand der neben der Fahrbahn in einer Entfernung von 50 m stehenden Leitpfosten ermittelt wurde.
• Ausreichend kann es sein, wenn die Geschwindigkeitsmessung auf der BAB vorgenommen wurde und der Amtsrichter mitteilt, dass starker Verkehr herrschte, woraus auf eine gewisse (Grund-)Helligkeit geschlossen werden kann, und zudem das Kennzeichen eindeutig identifizierbar war.
• Nach OLG Hamm kann von den allgemeinen Anforderungen an die tatsächlichen Feststellungen bei Messung durch Nachfahren zur Nachtzeit abgesehen werden, wenn der Betroffene die Geschwindigkeitsüberschreitung einräumt. Die Grundsätze der BGH-Rechtsprechung, wonach die Verurteilung wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung auch auf ein uneingeschränktes und glaubhaftes Geständnis des Betroffenen gestützt werden kann, gelten danach auch für die Messung der Geschwindigkeitsüberschreitung durch Nachfahren. Es bedarf aber einer Auseinandersetzung damit, ob und aufgrund welcher Umstände der Betroffene in der Lage war, insoweit objektiv zutreffende Angaben zu machen.
Mein Tipp: Geständnisse zur Geschwindigkeitsüberschreitung tunlichst unterlassen. Eine aktuelle Entscheidung des OLG Bamberg ist in diesem Zusammenhang interessant: Auch wenn der betroffene Autofahrer eine Geschwindigkeitsübertretung eingeräumt hat, reicht dies allein zu einer Verurteilung nicht aus, wenn im Urteil nicht ausgeführt ist, warum er damals nach den konkreten Umständen in der Lage war, die gefahrene Geschwindigkeit einzuschätzen. So zum Beispiel etwa auf Grund eines Blicks auf den Tachometer unmittelbar nach Bemerken der Geschwindigkeitsmessung.
• Es ist nicht zu beanstanden, wenn sich der Tatrichter bei einer Messstrecke innerorts von 900 m und einem gleichbleibenden Abstand von 60 m nicht mit den Besonderheiten der Messung zur Nachtzeit auseinandersetzt, aber einen Sicherheitsabschlag von 17 Prozent macht (20- prozentiger Sicherheitsabschlag bei schlechten Beleuchtungsverhältnissen; Sicherheitsabschlag von mindestens 15 Prozent, wenn die Sichtweite infolge Nebels weniger als 50 m beträgt und nur die Rücklichter des vorausfahrenden Fahrzeugs erkennbar waren).