Ist der Mandant anhand des Lichtbildes überführt und verurteilt worden, stellt sich die Frage, ob der Amtsrichter die von der obergerichtlichen Rechtsprechung aufgestellten Anforderungen an das Urteil beachtet hat. Denken Sie daran: Die Oberlandesgerichte gehen bei der Rechtsprechung wie „Erbsenzähler“ vor. Die formalen Anforderungen an den Amtsrichter sind so hoch, dass trotz Verurteilung in der ersten Instanz immer zu prüfen ist, ob doch noch Luft für einen Freispruch in der zweiten Instanz ist.

Verweisung auf das vom Verkehrsverstoß gefertigte Foto: Der Amtsrichter kann in den Urteilsgründen auf das in der Akte befindliche Foto von dem Verkehrsverstoß Bezug nehmen. Aufgrund dieser Bezugnahme wird das Lichtbild dann zum Bestandteil der Urteilsgründe. Lesen Sie, was er in der Urteilbegründung beachten muss:

Foto weist eine schlechte Qualität auf: Dann muss der Richter in den Urteilsgründen umfassend darlegen, warum er gleichwohl den Fahrer anhand des Lichtbildes hat identifizieren können. Er muss insbesondere darlegen, welche charakteristischen Eigenarten das Bild geeignet erscheinen lassen, den Betroffenen sicher als die auf dem Radarfoto abgebildete Person zu erkennen. Eine ständige Fehlerquelle der Amtsgerichte.

Nicht ausreichend ist z.B. die Formulierung: „Aufgrund des Vergleichs des Betroffenen mit den vom Gericht in Augenschein genommenen Fotos, Blatt …, stand zur Überzeugung des Gerichts zweifelsfrei fest, dass der Betroffene zum Tatzeitpunkt Fahrer des Fahrzeugs war.

Nicht ausreichend ist auch die Formulierung: „Dieser Sachverhalt (bezüglich der Täterschaft des Betroffenen, der sich zur Sache nicht eingelassen hat) steht fest aufgrund ... der Inaugenscheinnahme des Radarfotos ….“ Ebenfalls wohl nicht ausreichend ist der bloße Hinweis auf „die Lichtbilder und die überbrachten weiteren Vergrößerungen im Hauptverhandlungstermin“.

Verweist der Tatrichter in den Urteilsgründen nicht auf das Beweisfoto, ist ein erhöhter Begründungsaufwand erforderlich. Es genügt dann weder, dass (nur) das Ergebnis der Überzeugungsbildung mitgeteilt wird, noch, wenn bloß die zur Identifizierung herangezogenen Merkmale der auf dem Foto abgebildeten Person aufgelistet werden. Vielmehr muss der Richter dem Rechtsbeschwerdegericht, dem das Lichtbild mangels Verweisung in den Urteilsgründen nicht als Anschauungsobjekt zur Verfügung steht, durch eine entsprechend ausführliche Beschreibung die Prüfung ermöglichen, ob es für eine Identifizierung geeignet ist. Das bedeutet:

• Das Urteil muss Ausführungen zur Bildqualität enthalten. Die Formulierung ist: „Auf dem Originallichtbild in DIN A5-Vergrößerung ist der Betroffene aber hinreichend klar zu identifizieren“, als noch genügend angesehen worden, um auf eine ausreichende Bildqualität des vorliegenden Lichtbildes des Betroffenen zu schließen.

• Die abgebildete Person oder jedenfalls mehrere Identifizierungsmerkmale muss der Amtsrichter so präzise beschreiben, dass anhand der Beschreibung in gleicher Weise wie bei Betrachtung des Fotos die Prüfung der Ergiebigkeit des Fotos möglich ist.

• Umstände, die eine Identifizierung erschweren können, sind ebenfalls zu schildern. Das kann z.B. der Fall sein, wenn der Rückspiegel einen Teil des Gesichts des Betroffenen verdeckt hat.

• Die Mitteilung der Identifizierungsmerkmale wird nicht dadurch entbehrlich, dass weitere Beweisanzeichen auf die Täterschaft des Betroffenen hindeuten. Auch aus dem Schweigen des Betroffenen dürfen keine für ihn nachteiligen Schlüsse gezogen werden. Entsprechendes gilt für eine (taktische) Anfrage des Verteidigers, ob ggf. ein an sich drohendes Fahrverbot gegen eine Erhöhung der Geldbuße in Wegfall kommen könne.

Beschreibung der Identifizierung: Wie viele Merkmale des Betroffenen der Tatrichter beschreiben muss, hängt davon ab, wie individuell die beschriebenen Merkmale sind und wie sicher sie es ermöglichen, eine bestimmte Person zu erkennen. Als Faustregel gilt: Je individueller die angeführten Merkmale sind, desto kleiner kann die Zahl der Merkmale sein.

Mein Tipp: Es reicht nicht aus, wenn einerseits die auf dem Lichtbild abgebildete Person und andererseits der Betroffene beschrieben werden. Das erklärt nicht, warum und woran der Tatrichter den Betroffenen als die abgebildete Person erkannt hat.